Der Bezirk baut sein Mobilitätskonzept aus. Kann sich das privat lohnen? Ein Versuch.

Mein Auto ist eine Dreckschleuder – und ich liebe es. Beim Tanken werde ich blass. Wenn ich an den CO2-Ausstoß denke, steigt mir die Schamesröte ins Gesicht. Es ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Als ein Auto ein Statement war. Es ist ein Auslaufmodell, ein sehr bequemes, komfortables. So versuche ich als Mülltrenner, Bioeinkäufer und Wenigbesteller trotzdem auf vier Rädern meinen ökologischen Fußabdruck zu verringern. Wie? Ich miete einen e-carsharing FLUGS. Mein Ziel: Innervillgraten. Mal sehen, ob das etwas werden könnte, mit mir und einer Auto-Alternative, unterwegs in Osttirol.


Ich suche mir den BMW i3. aus. Er steht bei Micado in Oberlienz. Viele Wochen Anlauf habe ich gebraucht, um mich mit Registrierung, Buchung, App und Auto auseinanderzusetzen und dann – war’s ganz einfach. Die Moqo-App schlägt ihn mir schon vor, das kleine E-Auto, Blau und Weiß gemustert, ein kleines elegantes Gefährt. Jetzt ist er frei, jetzt schlage ich zu. Aber: Wie komme ich an den Schlüssel? Werde ich unterwegs liegenbleiben? Wie lade ich Strom und wo um Himmels willen? Na, wird sich schon ergeben, ich bin ja nicht die erste, die damit unterwegs ist.

Das ganze Handling mit der App

Mithilfe der Gebrauchsanweisung ist eigentlich alles logisch – das Öffnen des Wagens per App (hoffentlich habe ich auch unterwegs überall Empfang), das Kappen vom Strom, starten, losfahren. Erstmal die Sitzheizung an, draußen ist’s frisch. 198 Kilometer kann ich bis zum Tanken – also zum Aufladen – fahren. Mein Ziel: Haus Betanien in Innervillgraten und der Rainer Ludwig, der Besen und Bürsten in allen Varianten selbst herstellt. Um 14 Uhr habe ich einen Geschäftstermin.

Ein leeres E-Auto – was tun?

Die im Sonnenlicht leuchtenden Birken und die goldenen Nadeln der Lärchen kann ich nicht recht genießen: Die verbleibenden Kilometer gehen verdächtig schnell zurück. Von den anfänglichen 198 Kilometern rauscht es rasant runter auf 160, 148, 122. Was, wenn ich nicht rechtzeitig die Ladestation finde? Was macht man mit einem leeren E-Auto? Ich denke an den guten alten Benzinkanister, gibt’s Strom zum Mitnehmen?

Ein Raumwunder

In Kalkstein mache ich einen kurzen Spaziergang. Schade, dass die Badl-Alm geschlossen hat, Besuch der kleinen Kapelle, noch rasch zum Besen-Mann. Unglaublich, was der Rainer Ludwig alles bietet und kann und zu erzählen hat. Ich verlasse die Werkstatt eine dreiviertel Stunde später mit einem reichen Wissen rund ums Besenhandwerk und einem ganzen Sortiment an Kehr- und Handbesen, Bürsten und Schrubbern. Geht alles rein ins Auto, ein Wunder.

Laden leicht gemacht

Jetzt aber dringend den FLUGS laden, die Reichweite liegt mittlerweile bei 89; kostet Verratschen auch Energie? Wenn das so weitergeht, bekomme ich noch Probleme. Also ran an die Säule, Gebrauchsanweisung raus, Ladestecker rein, Tiwag-Karte ran – es lädt. Länger als 15 Minuten habe ich nicht, mein Termin ruft, wird schon gehen.

Kapiert – auf die Fahrweise kommt’s an

Ich mache mich wieder auf den Weg mit einer Reichweite von 102 Kilometern, blicke mich hilfesuchend im Auto um. Ich bin ein Sicherheitsmensch, im echten Leben tanke ich schon, wenn der Tank noch halb voll ist. Da ist ein Schalter, es lässt sich „Eco Pro“ und „Eco Pro+“ einstellen. Ich erhalte die Information, dass ich bei „Eco Pro+“ maximal 90 fahren kann. Warum nicht – die Taste drücke ich. Unversehens steigt die Reichweite – 102, 103, …. bis auf 118, 122 … – ich Idiot. Natürlich. Die Sitzheizung verbraucht sicher viel Strom, meine Fahrweise möglicherweise auch. Obwohl ich immer gemütlich unterwegs bin. Jetzt, wo das Auto es wieder gut mit mir meint, beginne ich die Fahrt zu genießen. Der i3 läuft friedlich und leise vor sich hin, richtig komfortabel. Übrigens: BMW gibt bei diesem Modell bis zu 260 Kilometer Reichweite an, bei einem Test schaffte es sogar 330 Kilometer. Alles eine Frage des Handlings – in meinem Fall der Sitzheizung.

Rechnet sich das?

Mein vierstündiger Ausflug mit 93 gefahrenen Kilometern schlägt mit rund 26 bzw. 36 Euro zu Buche – je nach Tarif. Es gibt auch Tages- und Wochenendpauschalen sowie Familientarife. Und das Spezialpaket für Unternehmen inklusive Privatnutzung. Das bekomme ich mit dem eigenen Auto nicht hin, schon gar nicht, wenn ich Verschleiß, Versicherung und Steuer einrechne. Nicht zu vergessen den Diesel, der ja mittlerweile Luxus ist.

Demnächst wieder – sicher!

Ich könnte glatt sitzenbleiben und einfach weiter Richtung See oder Meer fahren, aber ich komme ohnehin schon zu spät zur Wagenrückgabe. Hoffentlich wartet keiner auf das Auto. An den Gedanken werde ich mich gewöhnen müssen – die Flexibilität ist groß, doch ein genaues Zeitmanagement unerlässlich. Schlussendlich parke ich den Stromflitzer wieder an seinem Platz, schließe ihn an die Ladesäule an. Das geht schon wie selbstverständlich. Und ich lasse ihn ungern zurück, so aufgeräumt, CO2-freundlich und mit gutem Gewissen. Braucht jemand einen Acht-Zylinder? Ich habe mich in die Osttiroler Alternative verliebt.


Über den Flugs

• Der e-carsharing FLUGS ist derzeit an 14 Standorten in Osttirol verfügbar, darunter an vier in der Stadt Lienz. Weitere Standorte sind geplant.

• Das Ladenetz umfasst im November 2021 insgesamt 42 e-Ladestellen.

• Von den derzeit 270 registrierten Nutzern sind 50 wöchentlich unterwegs.




Weitere Informationen:

https://flugs.moqo.de



Autorin:
Monika Hoeksema



© Monika Hoeksema





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