[Veranstaltungsinformationen]

„Wenn ich einmal groß bin, möchte ich dort leben, wo es ist, wie hier!“ Die beiden Niederländerinnen Daniella und Janneke sind mit ihren Partnern nach Osttirol gezogen

Schicksalsschläge, Fernweh und die Suche nach dem Sehnsuchtsort führten zwei Niederländerinnen nach Osttirol. Hier begann auch die Freundschaft von Daniella und Janneke. Beide sind bzw. waren zum Zeitpunkt unseres Gesprächs für ihre niederländischen Arbeitgeber tätig. Wie es Janneke als Geologin für ein Baugroßprojekt in Amsterdam und Daniella für ein internationales Verpackungsunternehmen schafften, von Osttirol aus, ihren Job zu machen, ist beeindruckend. Frauenpower im Doppelpack!

Daniella, bitte erzähle, wo du herkommst und wie dein Leben in den Niederlanden war?

Mein Leben in den Niederlanden war wohl nicht interessant genug, sonst wäre ich ja nicht hierhergekommen (lacht). Ich bin im Südwesten der Niederlande in einem kleinen Dorf namens Hoogerheide geboren worden. Wir sind viele Male umgezogen. Die letzten 15 Jahre habe ich in einem kleinen Dorf in Meeresnähe gelebt.

Als Kind war ich jedes Wochenende bei meinen Großeltern zu Besuch auf einem kleinen Bauernhof in Moerstraten. Damals war es dort ein bisschen so, wie es hier in Osttirol heute noch ist: Kühe, ein kleiner Bauernhof und eine nette Nachbarschaft. Das gefiel mir schon als Kind sehr gut. Jeden Sonntag kam meine Mutter und holte mich ab. Ich sagte immer: „Wenn ich einmal groß bin, dann möchte ich dort leben, wo es ist, wie hier!“ In den Niederlanden gibt es dieses bäuerliche Leben fast nicht mehr. Mich hat damals nicht nur das einfache Leben am Land fasziniert, sondern auch die Gemeinschaft. Später war es mir wichtig zu wissen, wer meine Nachbarn sind – die Anonymität in den Großstädten ist nichts für mich.

Blick vom Homeoffice auf Burg Heinfels in Osttirol
Janneke/Daniella Das kann nur inspirierend sein: der Ausblick von Jannekes Arbeitsplatz auf Burg Heinfels

Janneke, wo bist du aufgewachsen und wie es dir ergangen?

Ich bin im Südosten der Niederlande in Panningen in der Provinz Limburg aufgewachsen. Mit 18 Jahren habe ich mein Studium der Geologie in einer Großstadt angefangen. Für mich war es damals ein „Kulturschock“, vom kleinen Dorf, in dem jeder jeden kannte, in eine anonyme Metropole zu kommen. Es gab damals viel Kriminalität, und durch die Coffeeshops überall die Möglichkeit, Drogen zu kaufen. Das kannte ich in der Form nicht. Bei uns zu Hause gab es nur einen Imbissstand, eine Pizzeria und ein chinesisches Restaurant. Das Studium war cool und ich lernte viele Freunde kennen. Nach 15 Jahren bin ich mit meinem Mann nach Westen gezogen. Die Großstädte Rotterdam, Den Haag und Amsterdam bilden ein großes Einzugsgebiet und dementsprechend ist dort viel los. Es gibt alles, was das Herz begehrt: attraktive Aktivitäten, kulturelle Veranstaltungen, viele unterschiedliche Restaurants usw. Die Kehrseite der Medaille für mich ist die hohe Kriminalitätsrate.

Daniella, wie hat es dich nach Osttirol verschlagen und hast du Osttirol vorher schon gekannt?

Als Kind waren wir nie auf Urlaub, weil mein Vater ein eigenes Unternehmen und somit keine Zeit dafür hatte. Ich habe aber immer davon geträumt, in Österreich Urlaub zu machen – ich habe keine Ahnung warum. Es war nur so ein Gefühl. Vor 20 Jahren war ich das erste Mal in Zell am See, Kaprun, im Urlaub. Es gefiel mir gut, aber ich wollte unbedingt die höchsten Berge sehen. Und so kam es, dass ich auf den Großglockner und den Nationalpark Hohe Tauern gestoßen bin. Ich dachte: „Da ist es schön, da muss ich hin!“ Gesagt, getan. Vor 15 Jahren bin ich das erste Mal in Osttirol gewesen und habe mich in die Gegend und die Menschen verliebt.

Osttirol
Daniella I Janneke Sie fühlen sich wohl hier: Daniella mit Mann Pascal und ihren Hunden

Im Urlaub ist gleich alles einmal schön – wie ist es gekommen, dass du dein altes Leben mit Familie und Freunden aufgegeben hast und hergezogen bist?

Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich nach Hause gekommen bin, dass ich in Osttirol daheim bin. Zwei, drei Jahre bin ich allein immer wieder im Urlaub hier gewesen und es wurde immer schwieriger für mich, von hier abzureisen. Leider war die wirtschaftliche Situation damals nicht so rosig – es gab nicht viele freie Arbeitsplätze. Aber im Laufe der Jahre hat sich das geändert, die Betriebe sind gewachsen, viele neue Betriebe sind dazugekommen und die Wirtschaft hat sich gut erholt. 2017 erlitt ich einen persönlichen Schicksalsschlag und dieser hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich fragte mich: „Was will ich? Was ist wichtig für mich?“ Ich habe dann mit meinem heutigen Mann geredet und zum Glück hatte er auch dieses Gefühl der Verbundenheit mit Osttirol. Es war dann eigentlich keine schwierige Entscheidung mehr für uns. Außerdem habe ich meinem Mann immer im Spaß gesagt: „Ich heirate nie. Und wenn ich heirate, dann in Osttirol.“ 2020 haben wir in Osttirol geheiratet. Für meine Familie war immer klar, dass ich nicht in Holland bleiben werde. Bereits als Kind wollte ich immer weg.

Janneke, wie und wann seid ihr nach Osttirol gekommen?

Als Kind waren wir mit unserer Familie jedes Jahr in Österreich im Urlaub. So lernte ich unterschiedliche Regionen wie Kärnten, Salzburg und Tirol kennen. Vor 17 Jahren habe ich meinen Mann Arnold kennengelernt. Wir haben immer gesagt: „Wenn wir in der Lotterie gewinnen, gehen wir nach Österreich.“ Unsere Heimat zu verlassen und nach Österreich zu ziehen, war unser gemeinsamer Traum. Das mit dem Lotteriegewinn hat leider nicht geklappt.

In Holland arbeitete ich als Hundetrainerin im Tierheim. Es gab einen Zwischenfall mit einem der Schäferhunde. Er biss mich in den Arm. Der Unfall warf mich aus der Bahn und ich begann mein bisheriges Leben zu hinterfragen. Mein Mann und ich wollten nicht warten, bis wir in Pension sind oder genug Geld beisammenhaben, um unseren Traum zu verwirklichen. Es war klar: „Wir gehen nach Österreich! Suchen uns einen Job und schauen dann weiter!“ In der Vorbereitungszeit für unseren Umzug sind wir auf eine niederländische Community im Raurisertal gestoßen, die ein Online-Trainingsprogramm für Menschen anbietet, die nach Österreich kommen wollen. Auf dieser Plattform habe ich Daniella kennengelernt. Unsere Männer haben in Osttirol schnell Arbeit gefunden.

Janneke, wo arbeitest du zurzeit?

Ich arbeite nach wie vor für ein niederländisches Bauunternehmen, das sich mit der Planung und Errichtung von Infrastrukturbauten, wie z.B. Brücken, Tunnel usw. beschäftigt. Meine Aufgabe ist die Berechnung der Fundamente und der Verankerung für die Bauwerke, da wir in den Niederlanden einen sehr weichen Boden haben. Derzeit betreue ich ein großes Projekt in Amsterdam. Da ich die Baustelle nicht besuchen kann, haben wir dort eine Webcam installiert. Ich beobachte den Baufortschritt aus der Ferne. Das funktioniert ganz gut. Dennoch muss ich die Baustelle vor Ort besichtigen und immer wieder nach Amsterdam fliegen. Die Corona-Zeit war günstig für Daniella und mich. Wir können von Osttirol aus für unsere niederländische Arbeitgeber tätig sein.

Osttirol zum Kommen und Bleiben
Daniella I Janneke Daniella mit ihren Hunden

Daniella, du arbeitest auch für einen niederländischen Arbeitgeber?

Ich arbeite seit zehn Jahren als Customer Service and Logistics Managerin im Benelux-Büro (Belgien, Niederlande und Luxemburg) für einen weltweit tätigen Hersteller für Verpackungsmaterialien. Das Unternehmen ist auf die Produktion von sogenannten Big Bags für z.B. Steine, aber auch sensible Waren wie Babymilchpulver spezialisiert. Die Produkte werden in eigenen Fabriken in der Türkei, China und Vietnam hergestellt. Seit neun Monaten bin ich hier in Osttirol im Homeoffice. Die Arbeit ist sehr anspruchsvoll und ich bin eine Woche pro Monat in Belgien oder in den Niederlanden. Das bedeutet für mich eine Fahrt von mindestens zwölf Stunden hin und wieder zwölf Stunden retour. Im Winter ist es – trotz des Schnees – bisher gut gegangen. Aber in der Sommerurlaubszeit mit den Staus brauche ich für eine Strecke oft bis zu 14 bis 15 Stunden. Die Arbeitswoche dort ist übervoll. Es geht, aber es ist schwierig. Ich habe mich entschlossen, diesen Job zu kündigen und in Osttirol zu arbeiten. Ich bin trotz allem froh, dass ich die Chance bekommen habe, für meinen niederländischen Arbeitgeber vom Homeoffice aus tätig sein zu dürfen. Es hat uns den Start Osttirol sehr erleichtert und Sicherheit gegeben. 

Daniella, ist das nicht sehr einsam im Homeoffice?

Ja, ich bin sehr einsam, die Tage sind lang. Wenn man aus dem Fenster rausschaut, sieht man die Nachbarn bei der Gartenarbeit, aber man hat selbst keine Zeit dafür. Das ist etwas, was mich sehr stört: Ich habe keine Zeit, Leute kennenzulernen. Die Menschen hier sind das auch nicht gewöhnt. Die denken sich: „Die sitzt immer da drinnen, was macht die da (lacht)?“  Am Anfang habe ich das schon oft erklären müssen, jetzt wissen die Nachbarn aber Bescheid. Die dachten schon, ich habe Angst vor Leuten. Ich bin den ganzen Tag vor dem Computer. Ich habe schon einen neuen Job gefunden. Seit September arbeite ich bei IDM in Matrei in Osttirol

Janneke, wie geht es dir im Homeoffice?

Mir geht es da ganz gleich. Meine Pause ist ein kleiner Spaziergang mit den Hunden. Ich denke für unsere Männer ist das anders. Die haben ihre sozialen Kontakte in der Firma. Ich rede höchstens mit meinen Hunden (lacht). Ich denke, dass ich dieses Arbeitsmodell vielleicht noch ein bis zwei Jahre durchhalte. Du hast einfach keinen Kontakt mit den Menschen im Ort. Das ist schon ein bisschen schwierig.

Daniella, seid ihr gekommen, um zu bleiben?

Wir bleiben bestimmt!

Wie schaut es mit dem Bleiben bei euch aus, Janneke?

Wir schauen uns das jetzt noch an. Ich möchte gerne in Österreich bleiben. Ob es Osttirol wird oder eine andere Region, wird sich noch herausstellen. Mein Traum von einer Pension mit Zimmern für Gäste mit Hunden ist noch nicht ausgeträumt – wenn ich irgendwo in Österreich ein Häuschen finde, dann gehen wir da hin.

Teilen: