Um fünf Uhr nachmittags, wenn Sepp Kaplenig Feierabend hat, geht für ihn derzeit die schönste Zeit des Tages los. Er steigt in seinen Traktor, fährt zum Spargelfeld in Lavant und sticht mit seinen Helfern weißen und grünen Spargel. Er und seine Frau sind die einzigen, die in der Region Spargel anbauen und verkaufen. Die gesunden Stangen sind begehrt, auf den Lienzer Esstischen ebenso wie bei Gastronomen und über die Grenzen des Bezirks hinaus.

Es sind rund acht Wochen im Jahr, von Mitte, Ende April bis zum Johannnitag am 24. Juni, in denen sich bei der Familie Kaplenig alles rund um den Spargel dreht. Morgens um vier steht Elisabeth Kaplenig häufig schon in ihrer Spargelküche, um die Portionen für die Gastronomie und den Einzelhandel abzupacken. Abends um elf ist sie mit dem Waschen und Sortieren für den nächsten Tag fertig. Ebenso wie ihr Mann hat sie fleißige Helferinnen und Helfer. „Es sind Leut‘ vom Dorf und aus der Umgebung“, sagt Sepp, „immer gute Leut‘, und immer dieselben.“

Wo Golfspieler Spargel stechen

Bis Johanni öffnet Elisabeth Kaplenig ihre Hoftüren für den Spargelverkauf täglich. Häufig kommt es sogar vor, dass Gäste, die ihren Urlaub auf dem Michelerhof verbringen, ihren Spargel selbst stechen. „Wir haben zu 80 Prozent golfspielende Urlauber“, erzählt Elisabeth. „Und fast jeder greift einmal zum Spargelmesser und freut sich am Abend auf seine eigene, selbst geerntete Portion“, lacht sie. Sie selbst mag den grünen Spargel als Cordon Bleu mit Schinken und Käse am liebsten – mit einer schönen Eier-Bozener-Soße. Sepp liebt es so, wie der Spargel in der Familie traditionell am ersten Tag auf den Tisch kommt: eine Handvoll weißer Stangen, darüber Butter und Schnittlauch und ein Glas kühler, grüner Veltliner dazu. Auch Sohn Lukas, 21, hilft mit und genießt diese Zeit.

Spargelgeist und Spargel-Ciabatta

Ein Glaserl Veltliner, das gibt’s auch für gute Kunden, das muss sein. Oder einen Spargelgeist vom Schwarzer Rudi. Den gibt’s nur jetzt in der Spargelzeit. Hell gluckert er ins Glas, er riecht nach Erde und den weißen Stangen. Und nur das Beste, die Köpfe, ergeben den feinen Brand. Ja, und dann das Spargelbrot von Joast, ein Ciabatta mit eingebackenem grünen Spargel. „Das gibt’s nur jetzt und bei mir“, freut sich Elisabeth und bedient schon wieder die nächste Kundin. Sie fragt nach Spargelspitzen, den langen, feinen knackig-kühlen Stangen.

Ökologisch vom optimalen Schwemmlandboden

Seit 35 Jahren gehört der Spargel zum Michelerhof wie die Dolomiten zu Lienz. Es war ein Spargelbauer auf Urlaub, der Sepp Kaplenig den Floh vom Spargel ins Ohr gesetzt hat. „Dein Boden hier eignet sich perfekt, das Gemüse wächst am besten auf Schwemmland“, wusste der Gast. Und Sepp erinnert an die 66er-Überschwemmung, die den sandigen Boden brachte. Die ersten drei Jahre hatte er „nichts außer Arbeit“, erinnert er sich. „Aber ich hab‘s zum Glück durchgezogen.“ Der Spargel, das war einfach seine Vision. Und seit er vor zwölf Jahren begann, seine anderthalb Hektar mit Mikro-Organismen zu düngen, gibt’s sogar mehr Spargel und noch dazu eine bessere Qualität. „Wir haben auch keine hohlen Stangen mehr“, sagt Elisabeth, die ihr Gemüse immer zuerst in der Bio-Abteilung sucht, bevor sie zum anderen greift.



Spargelgenuss bis zum Johanni-Tag

4.000 Pflanzen hat Sepp heuer gepflanzt. „Es soll immer ein Nischenprodukt bleiben, wir möchten auch gar nicht größer werden“, sagt er zufrieden und blickt auf die zarten Stängel, die sich schon durch die Erde gewagt haben. Recht kühl ist es noch, jetzt Mitte Mai; der grüne Spargel ziert sich noch etwas. Je nach Wetterlage kann eben mehr oder weniger gestochen werden. Bleibt zu hoffen, dass die Sonne mithilft und der letzte Spargeltag wirklich auf Johanni fällt. „24. Juni, Kirschen rot, Spargel tot“, sagt Elisabeth. Das sind noch mehr als vier Wochen, in denen sich der Solo-Spargel, die Spitzen und der grüne Spargel in allen möglichen Variationen unter Osttiroler Himmel genießen lassen. Und der Genuss fängt schon beim Einkauf bei Elisabeth an, die sie Stangen sorgfältig wiegt und einpackt, über Rezepte spricht und auch mal ein Glaserl Veltliner ausschenkt. „Wir machen es mit Leib und Seele, von ganzem Herzen einfach gern“, sagt sie. Und das schmeckt man.



Weitere Informationen:
www.michelerhof.at

© Monika Hoeksema

Autorin:
Monika Hoeksema


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