Kemmt’s eina: Hochkonjunktur in den Sozialläden Osttirols

Eigentlich ist es ganz einfach: Ob Tafel, Solali, Kostnix-Laden oder Kraut & Rüben – die Regale dort sind voll. Und jeder, der –­ ob länger- oder kurzfristig – nur ein sehr kleines Budget zum Leben hat, ist von Herzen eingeladen, sich dort sehr günstig oder kostenlos zu versorgen. Denn das Einzige, womit die Betreiber kämpfen, ist die Befangenheit der Menschen, womöglich als arm oder bedürftig dazustehen. Grundlos: Nirgends zeigt sich der Zusammenhalt der Osttiroler besser als genau dort. Und nachhaltig ist’s außerdem.

„Wer einmal kommt, kommt immer wieder“, fasst Sandra Holzer, Geschäftsführerin im Solali in der Schweizergasse, ihre Erfahrung zusammen. Sie weiß: „Viele Menschen brauchen unser Angebot, aber es ist oft schwierig, sie zu erreichen.“ Dabei drängen sich in den Regalen Kaffee neben Tee, Mehl neben Nudeln, Schnuller neben Zahnbürsten. Hier steht eine Steige mit Mandarinen, daneben stapelt sich die Schokolade, darunter liegt das Knödelbrot, das Sonnenblumenöl ist noch nicht einsortiert. Und die Preise?

Hoagaschtn und shoppen im Solali

„Ein Einkauf mit einer Riesentasche kostet bei uns nur sehr wenig“, sagt Sandra Holzer. Alles, was man dafür braucht, ist der Nachweis, dass man mit seinen Einkünften unterhalb des Mindesteinkommens liegt. Und dafür ist nicht einmal der Gang zur Gemeinde nötig – seit diesem Sommer geht’s auch direkt im Solali. Ganz unbürokratisch werden zwischendurch auch unvorhergesehene außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Wer kann schon was dafür, wenn die Waschmaschine plötzlich streikt und dann das Geld für Lebensmittel fehlt.

Sandra Holzer (Geschäftsführerin SoLaLi) mit Elvira Kienberger


Immer freiwillige Mitarbeiter gesucht

Frühmorgens fahren freiwillige Helfer die Geschäfte im Talboden an, sammeln ein, was dort nicht verkauft wird oder in den Spende-Körben zusammengekommen ist. Im Solali wird später aus- und umgepackt, sortiert, ausgepreist, in die Regale geräumt. Mal ist es mehr, mal weniger, Flexibilität ist gefragt. Deshalb ist Sandra Holzer auch immer froh um „ihre Freiwilligen“.

Erwin Rauchegger ist Fahrer beim SoLaLi


Die kommen gern: Jeder hat seine Aufgabe, alle halten zusammen, man tauscht sich aus. Das schätzen auch die Kundinnen und Kunden des Solali. Man kennt sich, man mag sich, es bleibt immer Zeit für ein Gespräch. Wer das Haus einmal wegen Corona nicht verlassen mag oder kann, profitiert seit diesem Jahr vom neuen Lieferservice des Solali. Die meisten sind jedoch froh, wenn sie sich in dem kleinen Ladele persönlich treffen können.

Kraut & Rüben – und Honig aus der Region

Einen Kaffee trinken, hoagaschtn – das ist auch etwas, wovon Bernhard Oberschneider sagt: „Es ist offensichtlich, dass die Leute das brauchen.“ Er ist Obmann des Sozialvereins SoMa (Soziales Matrei), der den Sozialladen „Kraut & Rüben“ mit seinem ehrenamtlichen Helferteam betreibt. Manche Kunden kommen einmal in der Woche, andere dreimal, wieder andere nur alle zwei Wochen. Aber alle sind froh, dass sie hier nur rund ein Drittel der sonst üblichen Preise bezahlen. Lebensmittel an der Datumsgrenze werden gratis weitergegeben. Wie beim Solali gibt’s auch hier alles an Grundnahrungsmitteln – freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Doch Bäcker, Lebensmittelgeschäfte und andere Betriebe, manchmal sogar lokale Imker, sorgen für gut gefüllte Regale. Überhaupt ist das Engagement groß: Dreimal wöchentlich holt ein ehrenamtliches Team mit den eigenen Autos Lebensmittel ab, die knapp an der Datumgrenze liegen, manch einer bringt privat länger Haltbares oder wie jetzt, auch mal Weihnachtsdekoration. Wieder ein anderer spendet Geld. Die Räumlichkeiten stellt die Pfarre kostenlos zur Verfügung. „Wir erleben hier eine breite Palette an Unterstützung und äußerstes Engagement“, sagt Bernhard Oberschneider. Besonders erwähnenswert sei auch die gute Kooperation mit der Lebenshilfe-Werkstatt Matrei, deren Klienten gemeinsam mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern zweimal wöchentlich im Laden mithelfen. Vieles laufe im Hintergrund, ohne dass es jemand weiß. Und er betont, dass es ebenso um Nachhaltigkeit gehe. Ein Gedanke, der auch im Kostnix-Laden und bei der Tafel vom Roten Kreuz großgeschrieben wird.

Eine ganz besondere Weihnachtsaktion
„Rund eine Tonne Lebensmittel geben wir an einem einzigen Wochenende weiter“, sagt Willi Granig vom Roten Kreuz und lässt den Satz wirken. Eine Tonne an Lebensmitteln, die übrig ist. Darunter feste Erdäpfel, knackige Weintrauben, saftige Mandarinen, Kaffee, Reis, Zucker, Nudeln …  alles frische Nahrungsmittel, die Osttiroler mit einem Abholerausweis kostenlos mitnehmen können. Das sind in Lienz und Sillian derzeit rund 200 Menschen. Samstags um 19 Uhr packen sie in ihren Einkaufskorb, was zig Freiwillige eingesammelt, sortiert und in die Regale gepackt haben.

TÖT Gruppenleiterinnen


„Es ist jedes Wochenende etwas anderes“, sagt Willi Granig, und alles, was es sonst in einem Lebensmittelgeschäft auch gebe. Und es reiche für alle: „Es würde uns sehr freuen, wenn Menschen, die es brauchen können, sich einen Ruck geben“, sagt er. Auch er kennt die Hürde, die nicht Wenige überwinden müssen, um sich bei der Tafel anzustellen. Und er möchte Mut machen. Jetzt zu Weihnachten gibt es daher eine ganz besondere Aktion: Bei „Kauf ein Stück mehr“ werden Kundinnen und Kunden von Hofer- und Sparmärkten ab Anfang Dezember gebeten, der Tafel etwas beizusteuern, was länger haltbar ist. Eine Packung Nudeln, Mehl oder Reis zum Beispiel. Weitergegeben wird das an Menschen, die sich bei dieser Aktion erstmals anonym beim Roten Kreuz in Lienz melden können. Die Zustellung der Weihnachtspakete erfolgt ebenfalls anonym. „Wir vertrauen hier auf die Ehrlichkeit der Menschen und würden uns über zahlreiche Anrufe freuen“, sagt Willi Granig.

„Da hat a anderer a Freid“

Abgeben, weitergeben – vor allem im Sinne der Nachhaltigkeit – dafür ist auch der Kostnix-Laden in Lienz da. Im ersten Stock des Franziskanerklosters stapeln sich Babystrampler und Winterpullover auf den Tischen. Beim Eingang liegt hübsches Besteck, daneben aufgereiht Geschirr, Gläser, eine Kaffeemaschine. Wer einen Ski- oder Fahrradhelm sucht, könnte fündig werden, Bettwäsche gibt’s auch, ebenso Koffer und Kinderbücher. Mit allem, was einer nicht mehr braucht, aber noch gut ist, „hat a anderer a Freid“, weiß Rita Eder. Und zwar kostenlos. Angefangen hat das mit dem Kost-nix-Laden vor sechs Jahren. „Wir wollten geflüchteten Menschen helfen“, sagt Rita Eder. Heute kommt jeder, die meisten Lienzer, ältere Damen ebenso wie Kinder. „Einfach jeder, der auf Wiederverwertung wert legt, immer mehr Jugendliche stehen auf Second-hand“, sagt sie. Gemeinsam mit elf Kolleginnen und Kollegen räumt auch sie, sichtet, stapelt, sortiert.

Hintere Reihe v.l. Rita Eder-Engelbogen, Monika Messner, Marion Holzer, Gerhild Strauss
Vorne v.l. Herbert Gütl, Martha Gütl, Lydia Gerold


Wer zusätzlich helfen mag, bringt weitere Sachen, am besten zu den Öffnungszeiten oder nach telefonischer Vereinbarung. Schämen tut sich hier auch keiner. Es geht ums Miteinander, ums Mitdenken und um den Zusammenhalt.

Angebot im Kost-nix-Laden





Weitere Informationen:

Solali: Schweizergasse 23, 9900 Lienz, Tel. 04852/67293, geöffnet Di-Fr, 9.30 bis 12 Uhr, stark reduzierte Lebensmittel, Bezugsschein nötig: ja;

Kraut & Rüben: Kirchplatz 1 (im Widum hinter dem Mesnerhaus), 9971 Matrei, geöffnet Di 9-11.30 Uhr, Do 13.30-15.30 Uhr, Sa 9.30-11.30 Uhr,
stark reduzierte Lebensmittel, Bezugsschein nötig: ja;

Tafel Rotes Kreuz Lienz/Sillian: Emanuel-von-Hibler-Straße 3a, 9900 Lienz und „ehemaliges Hallenbad“, Hausnummer 185a, 9920 Sillian, gemeinsame Tel. 04852/62321, geöffnet Sa 19 Uhr, , kostenlose Lebensmittel, Bezugsschein nötig: ja;

Kost-nix-Laden: Muchargasse 4 (im Franziskanerkloster, 1. Stock), 9900 Lienz, Tel. 04852/62066 oder 0676/4055936, geöffnet alle 14 Tage Mo und Do, 9-12 Uhr und 15 bis 17 Uhr, kostenlose Dinge für den Haushalt, Bekleidung, Deko-Artikel u.v.m., Bezugsschein nötig: nein

Mindesteinkommen: Das monatliche Mindesteinkommen beträgt 2021 rund 949 Euro für Alleinlebende und Alleinerziehende und rund 1.424 Euro für Paare. Die Mindeststandards für minderjährige Kinder betragen 2021 je nach Bundesland zwischen rund 171 und rund 256 Euro.




Autorin:
Monika Hoeksema


© SoLaLi, Rotes Kreuz, Kost-nix-Laden




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