Vor wenigen Tagen fand der zweite Experten-Dialog in Osttirol statt. Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. René Schmidpeter holte diesmal als Sprecher des Beirates der INNOS GmbH und im Rahmen von Vordenken für Osttirol Impulsgeber aus Österreich und Deutschland nach Lienz. Dabei richteten rund 50 Zuhörer in der Wirtschaftskammer erneut einen Blick von außen auf die Zukunft sowie auf aktuelle wie kommende Herausforderungen. 

Eine dynamische Entwicklung

„Es geht darum, gemeinsam Visionen zu entwickeln, Argumente aufzugreifen und herauszufinden, mit welchen Ressourcen Osttirol zukunftsfähig wirtschaften kann“, leitete René Schmidpeter die zweite Vortragsreihe ein. Der gemeinsame Fokus liege in einer nachhaltigen Entwicklung und einem Beitrag für die Welt. Die Aussichten dafür sind gar nicht schlecht, weiß der Forscher für nachhaltiges Management. Denn: „In den vergangenen zehn Jahren haben wir uns aus einem entlegenen Bezirk mit ‚rotem Punkt‘ sehr dynamisch entwickelt. Und wir wissen, dass wir daran weiterarbeiten müssen.“

Eine Frage der Perspektive

Dass Osttirol – jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht – keine Insel der Glücksseligen ist, haben Pandemie, Naturereignisse, Inflation und Lieferschwierigkeiten in nahezu allen wirtschaftlichen Bereichen gezeigt. Aber: „Wir sind innerhalb von drei Stunden in Ljubljana, Salzburg, München, Innsbruck und in Trient. Da ist Hamburg eher am Rande – von Osttirol aus gesehen. Und: Wie alle sind wir nur einen Klick von Rom, Tokio und New York entfernt. Wir sind Teil der globalen Weltgesellschaft.“ Dass die scheinbar umgedrehte Weltordnung ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat, wird in den kommenden Monaten deutlich werden.

Experten-Dialog in Osttirol

Es wird noch schlimmer

René Schmidpeter nennt gewichtige Anzeichen: eine fortschreitende Deglobalisierung aufgrund der unterbrochenen weltweiten Lieferketten, eine Staatsverschuldungen, die über den Bruttoinlandsprodukten liegen, erhöhte Erzeuger- und Energiepreise sowie eine geringere Kaufkraft. Wie der Übergang in eine nachhaltige Wissens- und Wirtschaftsgesellschaft aussehen soll? Weiß keiner. Eines aber steht fest: Jeder darf und soll hier aktiv mitgestalten. Ein Beispiel dazu nannte Frank Barz mit der Telemedizin und digitalen Präventivmedizin. „Gerade im ländlichen Bereich ist der Facharzt oft Autostunden entfernt“, weiß der Digitalisierungsexperte und Senior Partnermanager des “Scale UP Startup Programms“ der Telekom Deutschland. Der Mensch müsse in einer Gesellschaft, in der viele Ressourcen fehlen – wie z.B. Fachkräfte – im Vordergrund der Digitalisierung stehen. Und die Entwicklung schreitet kräftig voran. Er sei zuständig für 850 Start-ups, „morgen sind es 852“, sagt er. In der Digitalisierung zählten Geschwindigkeit und Konsequenz in der Umsetzung. Und da es immer um die Komponenten Natur, Mensch und Technik geht, spielen auch nachhaltige Investments im Immobilienbereich eine tragende Rolle. „Denn“, weiß Olivia Rothauer vom Unternehmen IMMOcontract, „der Immobiliensektor ist für rund ein Drittel der CO2-Emissionen in Europa verantwortlich.“ 

Leuchtturmprojekte mit Wind und Wasser

Wie nachhaltig Immobilien gebaut und genutzt werden können, erläutert sie anhand des „TRIIIPLE Tower“ in Wien. Die Hochaustürme am Donaukanal sind laut dem Unternehmen zu 100 Prozent CO2-neutral. Heizen und Kühlen ermöglichen Windkraft und Wasser aus dem Donaukanal, unabhängig von Gaslieferungen. Ein Leuchtturmprojekt, das so oder ähnlich auch in Osttirol stattfinden könnte? Vielleicht eine Idee, denn „alles, was wir brauchen, um unsere Probleme zu lösen, gibt es schon“, ist sich René Schmidpeter sicher. „In den kommenden zehn bis 30 Jahren werden wir damit die Industriegesellschaft verändern können.“ Dies trifft womöglich auch auf den Tourismus zu. 

Urlaub mit medizinischer Diagnose

Während Urlauber sich nach dem Mountainbiken und Skifahren häufig im Spa-Bereich ihres Hotels verwöhnen lassen, denken die Initiatoren der IQcure Healthness Resorts schon weiter: Sie setzen auf Gesundheitstourismus und -immobilien. „Wir machen keine Reparaturmedizin“, sagt Heinz Schletterer. Er setzt auf „Evolution und Revolution“ mit einer „Symbiose aus zukunftsweisender Technologie, Digitalisierung in Kombination mit medizinisch fundierter Diagnose und Therapie. Kurz: „Wir schauen, dass die Menschen gesund bleiben.“ Und das im Urlaub. Allesamt Ideen und wirtschaftliche wie wissenschaftliche Ansätze, die Christian Rauscher vom Springer-Nature-Verlag in gedruckter – und in digitaler Form – vorlegt. Sein Wunsch: eine Win-win-Situation zwischen Wissenschaftlern, wissenschaftlichen Institutionen und Industrie zu schaffen. 

Experten-Dialog in Lienz

Wenn Wissenschaft und Wirtschaft … 

„Damit meine ich nicht nur die Fertigungsindustrie“, sagt der Editorial Director, sondern auch Tourismus, Gesundheit, quer durch …“ Springer Nature ist einer der weltweit größten Wissenschaftsverlage mit einem Output von rund 3.000 wissenschaftlichen Zeitschriften und ca. 13.000 Büchern jährlich. Viel Wissen. Was damit passiert, habe eine große Relevanz für die Praxis, sagt Christian Rauscher, denn der Großteil der Wissenschaft sei angewandt, Wissenschaftler stiften Wert, der in der Praxis genutzt werden könne und solle. Aber wie können nun „Player außerhalb Osttirols dafür interessiert werden, mit Institutionen und Unternehmen des Bezirks zusammenzuarbeiten?

Osttiroler Unternehmer – machen!

Dies zu beantworten wäre eine Aufgabe für den Comic-Helden Lucky Luke, den René Schmidpeter diesmal auf seinem T-Shirt trägt (beim ersten Mal war es Captain Future). „Lucky Luke schießt schneller als sein Schatten und muss die Zukunft vorausahnen“, schmunzelt der Wissenschaftler. Gemeinsam wäre das zu schaffen. Da ist sich auch Dr. Friedrich Hinterberger, Vizepräsident des österreichischen Chapter des Club of Rome sicher. Nicht so weiterzumachen wie bisher hieße nicht, dass die Welt untergehe, sagt der Forscher und Wissenschaftler. „Es heißt nur, dass es anders weitergeht. Wenn wir alle Kräfte mobilisieren, nehmen wir’s ernst und dann machen wir’s einfach.“

So weit, so gut. Die Experten-Dialoge brachten bisher wirtschaftliche und wissenschaftliche Ansätze. Bei der dritten Runde sind Osttiroler Unternehmer als Impulspartner gefragt und gefordert. Die Ressourcen sind vorhanden.

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