Anna Holzer gibt am Strumerhof über Matrei in Osttirol ihr Wissen um den Brauch des Räucherns weiter

Die sonnigen und leuchtenden Oktobertage können nicht darüber hinwegtäuschen: Die Nächte werden länger, es wird kälter, eine Phase des Rückzugs kommt. Und mit ihr für viele Menschen auch Monate innerer Dunkelheit. „Dunkle Nächte, dunkle Mächte“ nennt Anna Holzer diese Zeit. Mit ihr habe der Ur-Wunsch zu tun, uns mit Feuer, Licht, Wärme und Rauch zu umgeben. Es gelte noch immer, Jahrhundertealte archaische Ängste aufzulösen. Das kann am Strumerhof übrigens ebenso heilsam wie unterhaltsam und köstlich sein.


Räuchern hat Tradition: Hier, auf dem Land, in Osttirol, seit Generationen. Und so wie ihre Oma es getan hat, tut Anna Holzer es auch. Das heißt, die Oma hat es gar nicht so bewusst gemacht, „die haben andere Sorgen gehabt“, sagt Anna. Und doch: Sie sei „a bissl für das Mystische, für die spirituelle Entwicklung der Kinder zuständig gewesen“, ganz nebenbei. Und so kann Anna gar nicht sagen, wann das mit dem Räuchern bei ihr angefangen hat. Sie hat irgendwann gemerkt: „Das tut was.“ Sie begann zu lesen und sich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen, besuchte Lehrgänge. „Bestimmte Düfte“, sagt sie, „und sei es ein Vanillekipferl, erinnert dich an die Gefühle deiner Kindheit, auch wenn du sie nicht in Worten ausdrücken kannst.“ Das gehe über viele Generationen zurück: „Wir alle haben Gutes und weniger Gutes mitgenommen und wissen oft nicht, was ein Duft in uns hervorruft. Doch wenn wir es uns bewusst machen, kann man auch etwas damit tun.“

Leichtigkeit fürs Leben

Mit „etwas tun“ meint Anna, eben jene alte Ängste aufzulösen oder wieder mehr Leichtigkeit und Heiterkeit ins Leben zu bringen, festgefahrene Situationen zu lockern, von der Trauer in ein friedliches Loslassen überzugehen, überhaupt Klarheit aufzuzeigen. Und sie weiß, wogegen und wofür welches Kraut gewachsen ist. „Du kannst bitten und das Räuchern unterstützt“, sagt sie schlicht. „Mir kann kein größeres Geschenk gegeben werden, als wenn ich jemandem geholfen habe, den Schalter in schwierigen Lebenssituationen für sich selbst wieder umzulegen.

Wacholder schützt und schmeckt

Die Räucherkohle glüht und Anna zeigt auf getrocknetes Erlenlaub – „ein besonderer Baum“, der a bissl gegen den Schelm in einem selbst angeht. Sie verweist auf die „luftige und fröhliche“ Birke und auf köstlich duftende Himbeerblätter „für die Fraulichkeit, für Gefühle“. Wer sich mehr abgrenzen wolle, verbrenne eine Prise Majoran. Die Flechte bringe einen „zurück in alte Energien, wo’s grad nit weitergeht“. Die Weide, weiß sie, nimmt die Tränen der Trauer auf. Die Eichenrinde wendet sie bei Mobbing an. Und wer ist mit einer Idee schwanger oder möchte sein Herz öffnen? Rosenknospen tun hier ihr zauberhaftes Werk. Und natürlich der Wacholder: Er dient nicht nur dem Schutz, sondern passt auch ganz einfach zum Essen – zu Fisch, zu Wild, zum Speckräuchern.


Ins Thema hineinschnuppern

Und speziell für die kommende Herbst- und Winterzeit? Die ehemalige Landwirtschaftslehrerin empfiehlt schützendes Räucherwerk wie Salbei, Thymian und Weihrauch. „Wenn ich unsicher bin, muss ich erst einmal dastehen, kräftig auf beiden Füßen.“ Sie erklärt geduldig, lässt sich Zeit, weiß zu vielen Blättern, Nadeln, Knospen, Rinden eine Geschichte, verbindet Mythen mit der heutigen Zeit. Dabei gehe es vor allem um eines: mit sich selbst im Reinen zu sein und auch anderen Gutes zu wünschen. Und so mangelt es nicht an Besuchern, die ihre Hilfe dankbar annehmen. Die einen schnuppern buchstäblich hinein in ein für sie neues Thema – Schulklassen, Gesangsvereine … andere beschäftigen sich schon länger mit dem Räuchern und Kräutern. Sie zeigt ihren Gästen gern, „dass unsere Natur hier viel tiefer geht“. Für sie gibt es im Sommer Unkrautführungen und Wissenswertes zu Blütenessenzen.

Jahreswechsel

Im Winter hat der Strumerhof geschlossen – bis auf Silvester. Nach einem kulinarischen Ausflug zum Haubenkoch Vitus Winkler ist Anna – inspiriert von dessen Gerichten – gedanklich schon bei ihrem eigenen Silvester-Menü. Fünf Gänge erwarten die Gäste auf rund 1.450 Meter Höhe, „mit den passenden Aromen, die der Wald hergibt, vom Heidekraut bis zur Zirbe“, so viel verrät sie. Zwischen den Gängen erfährt man einiges über Kräuter, Aromen und deren Wirkung, es wird eine „Mischung aus Kultur, Natur und Kulinarik auf dem Teller“. Im neuen Jahr geht es schließlich weiter und die Tage werden wieder länger. Gut, wer da eine Extraportion Gelassenheit hat. „Je mehr wir in uns ruhen“, sagt Anna, „umso eher erkennen wir, dass wir alle nur auf Lehrwegen unterwegs sind, die immer richtig sind.“ Auch, wenn’s mal dunkel ist.


Räucherkurse bietet auch das Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI) Tirol, das Bildungsinstitut der Landwirtschaftskammer an. Informationen dazu unter LFI Tirol




Weitere Informationen:

www.strumerhof.at

Weitere Bezugsquelle für Räucherwerk:
www.osttiroler-heilraeucherwerk.at



Autorin:
Monika Hoeksema



© Monika Hoeksema


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