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Dominik Ebenstreit, gebürtiger Weinviertler, ist 26 Jahre alt und lebt derzeit sein persönliches Selbstexperiment. Er hat einen Studienabschluss in der Tasche, ist erfolgreich selbstständig, studiert nebenbei weiter und pendelt regelmäßig zwischen dem Weinviertel, Osttirol, Wien und seinen vielen beruflichen Einsatzorten hin und her. Die Besonderheit ist, dass er sämtliche Wege umweltschonend, also mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrgemeinschaften zurückgelegt werden. Ein eigenes Auto gibt es auch als „Backup“ für Notfälle nicht mehr – er hat es im vergangenen Jahr verkauft.  

Bitte erzähl einfach einmal ein wenig über dich.

Ich bin 26 Jahre alt, und komme aus dem Weinviertel. Ich habe vor kurzem das Studium „Raumordnung und Raumforschung“ in Wien abgeschlossen. Demnächst werde ich auch mein zweites Masterstudium „Kartographie und Geoinformation“ abschließen. Seit ungefähr zwei Jahren bin ich jetzt schon selbstständig und nutze im Zuge dessen auch gerne den Co-Working-Space der INNOS in Lienz

Wie hat es dich nach Osttirol „verschlagen“?

Viele Verwandte sind nach Lienz gezogen. Den Anfang hat meine älteste Schwester gemacht. Sie ist schon vor mittlerweile zehn Jahren hergezogen. Einfach nur so, sie hat hier gar keinen gekannt und ist ganz zufällig hierhergekommen. Meine Mutter ist bald darauf nachgezogen, und somit bin auch ich immer wieder auf Urlaub hierhergekommen und habe vor Ort Kleinprojekte abgewickelt.

Ich bin mittlerweile multilokal unterwegs, das heißt, ich wohne in Gaweinstal, einem kleinen Ort im Weinviertel und hier in Osttirol, in Nikolsdorf. Mein berufliches Haupteinsatzgebiet ist allerdings in Wien, Niederösterreich und Burgenland. Meine Auftraggeber sind verschiedenste Planungsbüros, für die ich als Kartograf und Datenanalyst sowie im Bereich Raumordnung und Raumforschung arbeite.

Du bist von deinem Heimatort Gaweinstal nach Osttirol gezogen. Welche Unterschiede bemerkst du?

Gaweinstal ist eher dörflich und agrarisch geprägt, ich bin also im Grunde ein „Kind des Landes“ und bin dem auch treu geblieben. Von der Größe her ist Gaweinstal vergleichbar mit Nußdorf-Debant. Der Hauptort ist mit seinen 1.500 Einwohnern ein lokales Zentrum mit einem lebendigen Ortskern und einem aktiven Vereinsleben. Man spürt allerdings schon auch den Einfluss von Wien, denn viele Wiener haben einen Nebenwohnsitz dort. Das ist hier anders. Durch die Abgeschiedenheit zu sonstigen zentralen Räumen hat sich in Osttirol viel erhalten, was anderswo bereits längst überprägt ist. 

Du pendelst also vom Land aufs Land. Was ist attraktiv an Lienz?

Ich habe den Vorteil, dass ich im Weinviertel Wien ganz in der Nähe habe und dort das ländliche mit dem städtischen Leben immer kombinieren kann. Wenn ich Halligalli brauche, kann ich jederzeit nach Wien. Aber ich brauche das nicht oft. Ich mag diese Kombination, wie es sie hier in Lienz gibt. Einerseits ländlich, andererseits das Kleinstadtleben. Die meisten sagen, wenn sie aufs Land ziehen, dass sie das wegen der Ruhe und der Landschaft tun. Aber es ist ja nicht nur das. Ruhe und Landschaft gibt es bei uns in Österreich auf zwei Drittel der Fläche. Ich mag dieses kleinstädtische Flair, das man in Österreich wahrscheinlich fast in keiner anderen Kleinstadt so in seiner Reinheit erleben kann. 

Du nutzt den Co-Working-Space. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Zurzeit bin ich noch in Nikolsdorf wohnhaft, versuche aber nach Lienz zu ziehen. Ich habe im vorigen Jahr mein Auto verkauft. Das ist ein Selbstexperiment im doppelten ländlichen Raum, also die Herausforderung, im Weinviertel und in Osttirol, ohne Auto zurechtzukommen. Im Sommer funktioniert es sehr gut in die Arbeit zu kommen, ich nutze dann oft das Fahrrad und natürlich auch den öffentlichen Verkehr. Im Winter ist es dann schon etwas eingeschränkt – vor allem, wenn man gerne bis in die Nacht hineinarbeitet wie ich. Aber auch die Fahrtzeit mit der Bahn von Lienz nach Wien nutze ich zum Arbeiten. Viele unterschiedliche Experten empfehlen ja immer: ‚Lasst euer Auto stehen!‘. Die meisten leben in der Praxis ein anderes Modell. Wie gesagt, im Moment ist es ein Selbstversuch mit Höhen und Tiefen. Sonst sieht mein Arbeitsalltag so aus wie bei vielen. Viel Computerarbeit, etwa wöchentlich ein Außentermin in Ostösterreich. Ein Vorteil des Co-Workings ist aber sicher, dass man immer wieder viele neue Leute aus den unterschiedlichsten Branchen und mit vielen verschiedenen Lebenskonzepten trifft. Das schätze ich sehr. Genauso wie die Möglichkeit, in ein paar Schritten von der Stadt ins Grüne zu kommen. 

Könntest du dir vorstellen ganz nach Osttirol zu ziehen?

Das ist eine gute Frage. Vorstellen kann ich mir grundsätzlich alles. Und im Moment bin ich noch in einer Lebensphase, in der ich räumlich sehr ungebunden leben darf. Ich denke, wenn einmal eine eigene Familie da ist, werde ich nicht mehr ganz so flexibel sein können. So gesehen, ja, ich kann es mir schon vorstellen. Mein Beruf kommt mir auch sehr entgegen. Da ich viel von meinem Job auch online erledigen kann, wäre es schon möglich, den Lebensmittelpunkt hier in Lienz zu haben.  

Wie bist du mit der Infrastruktur in Osttirol zum Arbeiten auf der einen Seite und zum Leben auf der anderen Seite zufrieden?

Nahezu perfekt finde ich die Versorgung mit stationärem und mobilem Internet, das erleichtert mir meinen Arbeitsalltag und ermöglicht mir die Freiheit auch außerhalb von fixen Büros produktiv arbeiten zu können. Da bin ich vielleicht aber auch aus dem Weinviertel schon vieles gewohnt. 

Als Raumforscher kommt bei meinen Interviews im ländlichen Raum allerdings immer wieder ein Wort vor: ausbaufähig. Es geht auf jeden Fall schon in die richtige Richtung, aber – im Grunde wie überall – gibt es immer Potenzial nach oben, beispielsweise bei der Taktung des öffentlichen Verkehrs. 

Was das kulturelle Leben betrifft, ist es für die Zielgruppe unter 26 Jahren nicht ganz einfach. Aber für mich ist das kein großes Problem, denn ich habe den Vorteil, dass ich mein kulturelles Leben einfach nach Wien ‚outsource‘ und bei Bedarf dort das breite Angebot wahrnehme. Es kommt halt ganz auf den Menschen an und was einem im alltäglichen Leben wichtig erscheint. 

Du hast aufgrund deines Lebensmodells einen guten Blick von außen auf Osttirol und bist fast schon ein Einheimischer. Was ist dein Fazit?

Man muss der Mensch dafür sein, um hier zu leben. Die Region wird nicht jeden ansprechen, aber das ist auch nicht das Ziel. Es gibt jedenfalls eine Gruppe von Menschen, die dieses Lebensmodell und die Region super finden. Ich sehe das in meinem Umfeld, es gibt immer wieder Leute, die bewusst hierhergezogen sind, weil ihnen die Mischung gefällt, die der Lienzer Talboden bieten kann. 

© Innos GmbH


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