Wie hoch ist der Gewinn? Am Ende des Jahres eine wichtige Frage für Unternehmen. Zehn Osttiroler Betriebe legen jedoch noch auf etwas anderes großen Wert: auf ein Plus in ihrer Gemeinwohlbilanz. Sie wächst unter anderem mit nachhaltigem Wirtschaften, Transparenz und Gerechtigkeit. Ein Modell, das auch für weitere Unternehmen immer interessanter wird.

„Unser jetziges Wirtschaftssystem steht auf dem Kopf. Das Geld ist zum Selbst-Zweck geworden, statt ein Mittel zu sein für das, was wirklich zählt: Ein gutes Leben für alle.“ Das sagt Christian Felber, Autor des Buches „Gemeinwohl-Ökonomie“ und Mitinitiator der Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung. Entstanden in den 1990er-Jahren steht sie für alternative Wirtschaftsmodelle, die außer dem notwendigen Gewinn eines Betriebs auch Faktoren wie soziale Gerechtigkeit, Transparenz und Solidarität sowie ökologische Aspekte berücksichtigen.


Ein freundliches Arbeitsklima und ökologisch heizen

Wolfgang Steiner vom Gästehaus Steinerhof in Nikolsdorf zum Beispiel bewegt schon länger der Gedanke, dass „etwas getan werden muss, wo die beherrschenden Elemente Geld und Kapital sind“. Er möchte seine und die Zukunft seiner Nachkommen auf einer anderen Basis aufbauen, sagt er. Seine Angestellten erwarten im Pensionsbetrieb ein faires, freundliches Arbeitsklima, auf den Frühstückstisch kommen nur selbst gemachte Marmeladen, geheizt wird auf Hackschnitzelbasis, und zwar von seinem eigenen Unternehmen „Mikronetz“. Steiners Pension und die Häuser weiterer fünf Nachbarn sind daran angeschlossen. „Seit 2008 sparen wir pro Jahr zwölf bis 15 Tonnen Heizöl und damit mehr als 40 Tonnen CO2 ein. Das finde ich schon einen super Beitrag.“

Gemeinsam in die Zukunft

Und trotzdem: „Solche Dinge bekommen eine ganz andere Wertigkeit, wenn sie in einer GWÖ-Bilanz sind“, sagt Steiner. Es gehe ihm außerdem um ein gemeinsames, kooperatives Arbeiten an zukunftsträchtigen Projekten. Und er hat eine Vision: Dass jeder seinen ökologischen Fußabdruck möglichst klein hält und vielleicht sogar dazu beiträgt, ihn ins Gegenteil zu verkehren. „Als Kleinbetriebe sollte es uns nicht allzu schwerfallen, mit gegenseitiger Wertschätzung und Rücksichtnahme zu agieren. Wir sollten uns nicht in den verlockenden Kreislauf von Ränkespielen und Profitgier reinziehen lassen“, sagt Steiner zu den noch ungewöhnlichen Bilanzzielen.


Eine Bilanz mit anderen Kriterien

Michael und Andreas Eder von der LIOT Kunststofftechnik GmbH in Dölsach beschäftigen sich schon länger mit dem Thema Gemeinwohl. Seit 2017 ist der Betrieb dabei – mit extern auditierter Bilanz und Testat. Wie Steiner finden es auch die Brüder interessant, eine Bilanz aufzusetzen, die auf anderen Kriterien aufgebaut sei. „Wir möchten mit unseren nachhaltigen Produkten, hergestellt aus technischen Kunststoffen und in Kombination mit der Gemeinwohlökonomie den Ruf von Kunststoff verbessern“, sagt Michael Eder.


Ökologischer Strom für die Produktion

Eine Fotovoltaikanlage erzeugt mittlerweile einen Teil des Stroms, den das Unternehmen für die Herstellung seiner Trinkwassersysteme, Behälter und Anlagen benötigt. „Das nächste Auto wird voraussichtlich ein Elektroauto sein“, sagt Eder. Dies sei nicht nur ökologischer, sondern auch gut gefördert und vorsteuerabzugsfähig. Sprich: Die geringeren Ausgaben dafür würden unter anderem den 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugutekommen. Diese generell in betriebliche Entscheidungen einzubeziehen, sorgte außerdem für Transparenz. Auch Arbeitszeiten wurden angepasst, wo es möglich war. Eders Fazit: „Unser Ziel war, das Image zu verbessern. Aber wir haben uns insgesamt als Firma weiterentwickelt.“

Neue Perspektiven für alle Beteiligten

Und sich weiterzuentwickeln, für sich und fürs Allgemeinwohl – dazu hat jeder Betrieb die Möglichkeit. 20 Kriterien gilt es zu prüfen, zu optimieren, zu integrieren. Dazu zählen eben unter anderem eine „gerechte Ausgestaltung der Arbeitsverträge“, eine „ökologische Nachhaltigkeit in der Lieferkette“ und eine Reduktion ökologischer Auswirkungen. Viele Betriebe setzen – wie Steiner– einige Punkte längst um, es ist für sie selbstverständlich. Andere ermöglicht dieser Blick auf die Gemeinwohl-Matrix neue Perspektiven – für sich, die Mitarbeiter, den Betrieb.

Verträglicher Wohlstand

LIOT Kunststofftechnik setzt auf eine gesunde Mischung: Der nächste Pkw mag ein E-Auto sein. Der Montagebus aber, mit dem die Monteure im In- und Ausland Tausende Kilometer weit unterwegs sind, muss natürlich ein Diesel bleiben.
Auch Steiner sieht als künftiger Gemeinwohlunternehmer keinen Widerspruch zu einer modernen Lebensweise. „Die Gäste werden weiter mit dem Lift hochfahren und ihren Urlaub genießen. Aber bitte alles in Maß und Ziel und in Abstimmung mit dem, was unsere Region hergibt“, sagt er. Osttirol habe die Chance, viel unberührte Natur im sanften Tourismus zu verkaufen, ohne dass noch 20 Hektar für einen Golfplatz herhalten müssten und noch weitere 20 Lifte für ein Skigebiet. „Unser Wohlstand muss nicht weg, nur muss der allgemein verträglich sein“, fasst er zusammen. Wichtig sei, dass man den Gästen die vorhandenen Möglichkeiten aus einer neuen Perspektive zeige, sie erlebbar mache und nicht um jeden Preis als Massenware verkaufe. Wohin das führe, hätte Ischgl erst vor Kurzem erneut gezeigt.

Das sind die Osttiroler Gemeinwohlbetriebe:

Fohlenhof Astner, s’Gwandtl, Atelier Marianna, Weltladen, Regionalenergie Osttirol, Schindel und Holz, Green Print Osttirol, LIOT Kunststofftechnik, sun.e-solution, Leben ist Bewegung


Weitere Informationen:

https://web.ecogood.org/de/tirol/region-osttirol/

http://www.gwoe-osttirol.at/



© Osttirol GWÖ


Autorin:
Monika Hoeksema

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