[Weltweit umadum]

Im Grunde war es Michael Fuchs Leidenschaft fürs Abzählen, die ihn nach Taiwan brachte. Der promovierte Mathematiker lebt seit 2002 in Taipeh, er forscht und unterrichtet zurzeit an der Chengchi-Nationaluniversität. Er schätzt das Leben in der pulsierenden Millionenmetropole, das Nachhause kommen jedoch ebenso.  

Das erste, was Michael Fuchs nach seiner Ankunft in Taipeh erhielt, war ein chinesischer Name. Ohne den hätte er nicht mal ein Bankkonto eröffnen können. Es gibt kaum Ausländer in Taiwan, und so lernte er sehr schnell, sich anzupassen. „Anfangs habe ich ohnehin keinen Kontakt zu Landsleuten oder Europäern gesucht“, sagt er. Er wollte schnell die chinesische Sprache lernen, die er „viel einfacher“ findet als westliche Sprachen. 
„Es gibt keine Fälle, kein Einzahl/Mehrzahl, keine Zeiten. Für Verben gibt es nur eine einzige Form, die muss man sich halt merken. Ich hatte immer ein sehr gutes Gedächtnis, deswegen war es für mich sehr einfach“, sagt er und lacht.
Das Ungewöhnliche seien die Töne: „Wenn man die Aussprache nicht sehr genau lernt, verstehen die Leute einen nicht. Die Wörter sind alle sehr kurz, und wenn man etwas falsch ausspricht, kann es sein, dass etwas ganz anderes daraus wird, was aber auch Sinn ergibt.“


Gekocht wird kaum 


Was er an der chinesischen Mentalität besonders schätzt ist, dass die Menschen sehr freundlich sind. „Sie regen sich viel weniger auf, und sie sind sehr offen. Ich fahre zum Beispiel in Taiwan und China irrsinnig gern mit dem Zug. Es gibt viele Menschen, die sind sehr interessiert und stellen viele Fragen, die man zuhause nicht so bald fragen würde, zum Beispiel ob man verheiratet ist und wie viele Kinder man hat, sehr persönliche Dinge.“
Auch das Essen findet er „ausgezeichnet“. Die Vielfalt sei riesig. „Es gibt selbst nach vielen Jahren noch immer neue Gerichte zu entdecken.“ Die meisten Menschen, vor allem die jüngere Generation, würden ohnehin kaum kochen, weil das Essen in den Restaurants so gut und so günstig sei, dass man mehr bezahlen würde, wenn man sich die Zutaten fürs Kochen zuhause kaufen würde.  

Auch mit seiner fünfjährigen Tochter Katharina verbringt er Zeit in Restaurants – und in Caféhäusern. Das ist dann ein bisschen „wie daheim“, meint Fuchs und seine Stimme klingt ein bisschen wehmütig.
Ja, das Gefühl von Heimweh kennt er. „Kulturell gibt es natürlich große Unterschiede und es gibt einige Dinge, die ich sehr vermisse“, sagt er. Deshalb fahre er auch immer wieder gern nach Hause und werde später sicher einmal ganz nach Hause zurückkehren.  





„Ich möchte, dass sie beiden Kulturen kennenlernt.“  


Normalerweise reist er jedes Jahr nach Osttirol. Dort wurde er 1975 auch geboren. Aufgewachsen ist Fuchs in Assling, wo ein Teil seiner Familie bis heute lebt. Mit 14 ging’s auf die HTL nach Innsbruck und später, mit der Matura in der Tasche schließlich nach Wien zum Studium der Technischen Mathematik. Sein Doktorvater auf der TU hatte viele Besucher aus allen Teilen der Welt, unter anderem einen Mathematikerkollegen von der Akademie der Wissenschaften aus Taipeh. Der suchte jemanden für eine Postdoc-Stelle an der Universität in Taipeh. „Das hat mich interessiert, weil ich an Asien interessiert war. Es war eine schöne Möglichkeit, die Kultur näher zu kennenzulernen und eine neue Sprache zu lernen – Chinesisch; die Sprache, in der Fuchs auch unterrichtet. 

Die alljährlichen Sommer in der Heimat genießt Fuchs jedoch sehr. Oft hat er auch gemeinsame, mehrjährige Forschungsprojekte mit Kollegen an den österreichischen Universitäten. Steht ein solches Forschungsprojekt mit hiesigen Kollegen an, führt ihn der Weg auch drei, viermal im Jahr nach Österreich. Tochter Katharina nimmt er dann mit: „Ich möchte, dass sie beide Kulturen kennenlernt.“  


Weihnachten am liebsten zu Hause 


Wo und mit wem Fuchs auch arbeitet – mit seinem Themengebiet beschäftigen sich nur ein paar 100 Menschen weltweit – es geht im Wesentlichen ums Abzählen von Strukturen. „Ich arbeite in der sogenannten Diskreten Mathematik, um genau zu sein in der Kombinatorik.“ Hier arbeite man viel mit anderen Menschen zusammen, aber nicht notwendigerweise an der gleichen Uni, sondern weltweit, vor allem mit Kollegen aus Nordamerika, Europa und Asien. Derzeit gehe es in seiner Forschung um phylogenetische Netzwerke, also Strukturen aus der Evolutionslehre. 

Was er am meisten vermisst? „Das Wetter zuhause ist besser“, sagt er. Die Sommer seien viel zu heiß und die Winter so nasskalt, dass selbst in der Wohnung nichts trockne. Es gäbe ja keine Heizungen. „Ich bin sehr gern im Winter in Österreich“, sagt er. Und dann kommt er aufs Essen, „Brot und so weiter und das Heimisch sein, nicht der Ausländer sein. 
2013 war er das letzte Mal zu Weihnachten in Assling. „Das möchte ich meiner Tochter unbedingt einmal zeigen“, sagt er.  

Einer der Vorteile an der Uni hier sei, dass man einfach ein Sabbatical einlegen könne. „Alle dreieinhalb Jahre können wir für ein halbes Jahr beantragen, dass wir für ein Semester nicht unterrichten müssen und meist fahre ich dann ins Ausland.“ 

Und was er dann mitnimmt? Mehr Freundlichkeit, mehr Geduld, fällt ihm da ein. Er sei in gewisser Weise toleranter geworden.
„Ich bin heute freundlich zu Menschen, auch wenn sie unfreundlich zu mir sind.“ Doch er fühlt sich als Europäer und in Europa verankert, vor allem freilich in Osttirol.  



Autorin:
Monika Hoeksema



© Prof. Michael Fuchs

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