Ein Pinselschwung – und eine weibliche Brust ist auf Leinwand gebannt. Ein roter Tupfer – eine kleine rote Kirsche. „Das ist die Ernährung der Welt, schau“, sagt der Osttiroler Hans Salcher. Wie es ihm geht, derzeit, als Künstler? Es gehe ihm gut, sagt er. Er habe „natürlich viel Einbruch. 80 Prozent. Aber damit muss man einfach leben, sich abfinden. Ein Butterbrot essen.“ Und mit dem einfachen Leben kennt Hans sich aus.

Er arbeitet, jeden Tag. Und wie jeden Tag steht die Tür zu seinem Atelier in Lienz offen. Natürlich, Eintritt nur mit Maske und Abstand halten. Aber da steht er, schneidet das feine Papier zu, schwingt den Pinsel darüber. Mit Schwarz und Rot und Blau. Wie immer. Dabei ist nichts wie immer. Gerade als Künstler spürt er die Auswirkungen der Krise empfindlich.


„Ich male Corona nicht.“

An seinen Motiven hat sich nichts geändert. „Ich male Corona nicht. Krieg kann man auch nicht malen“, sagt Hans. „Der wurde erst später gemalt, als er schon aus war. In der Kriegszeit hat niemand Krieg gemalt, das glaube ich nicht. Höchstens die Offiziere, die Kriegsverherrlicher, aber nicht der Krieger. Und wir sind auch nur Krieger.“

Zurückstecken und nicht verrückt werden

Er malt und spricht weiter: „So schnell kann sich alles verändern. Man muss es annehmen. Es ist, wie’s ist, weißt, du kannst nicht verzweifeln, verrückt werden. Unser Geist ist nicht so groß, das zu verstehen. Er ist zu klein.“ Hans habe das gelernt. Er sei einfach aufgewachsen, sei das gewohnt, auch vieles einzustecken. „Als Kinder haben wir auch nichts gehabt. Eine Familie mit vielen Kindern hatte nichts. Wir haben nicht mal die Schuhe bekommen, die wir wollten. Und jetzt ist eben eine Krankheit da. Jetzt müssen wir zurückstecken und nicht verrückt werden. Das nützt niemandem, nicht der Kunst, nicht der Wirtschaft.“

Theaterstück „Vater“

Er beginnt, von seiner Kindheit zu erzählen. Als der Vater nach sechs Jahren im Krieg wieder vor der Tür stand. Sechs Jahre Kälte, Hunger, Heimweh, Ungewissheit, Tod vor seinen Augen. Und auch nach der Heimkehr dies alles längst nicht hinter sich. Hans hat ein Buch darüber geschrieben. „Vater“ ist der Titel. Es wurde im Rahmen der „Tiroler Volksschauspiele 2021“ in Telfs in Tirol aufgeführt.

„Man muss wieder wahr werden.“

„Man darf nicht alles so ernst nehmen, weißt, alles ist vergänglich, auch wir. Nicht vergessen.“ Noch ein Pinselstrich, noch einer. „Viele meinen, mit Märschen wird alles besser. Damit verabschiedet sich der Virus aber nicht. Wir haben die Natur nicht geschätzt, das ist eine Krankheit der Natur und wir sind ein Teil davon. Und wenn wir nicht umdrehen, kommt noch viel, viel mehr. Die Natur wird sich uns nicht beugen“, ist er überzeugt. „Die Natur fragt sich nicht, was der Mensch denkt, sondern nur, was der Mensch in sich selber denkt. Er muss ordentlich umgehen mit den Tieren, dem Gegenüber, anderen Menschen, mit der Wahrheit. Er muss es lernen. Man muss wieder wahr werden, wahrhaftig sein. Und nicht diese verlogene Scheiße, verstehst? Die Natur kann man nicht verdrecken“, sagt er fest.

Sonne, Himmel, Berge

„Aber trotzdem: Lebe das Leben.“ Und wiederholt leise: „Vergiss niemals zu leben.“ Man solle der Natur vertrauen, der Schöpfung, Gott. Er sei sehr religiös, immer gewesen. „Deshalb male ich auch sehr gern Sonne, Himmel, Berge“, sagt er und sinniert weiter: „Vielleicht klingt’s ganz komisch, aber vielleicht ist unser Geist zu hoch geworden, vielleicht denken wir zu viel.“ Und: „Man muss immer hoffen. Wir dürfen nicht vergessen zu hoffen.“


Wenn Berge Blumen umarmen

Ein Himmel auf der Leinwand zeichnet sich ab. „Es wird alles wieder gut. Der Mensch muss auch umdenken lernen. Verzeihen. Verzeihen der Natur. Was ihr angetan worden ist, Verzeihen dem nächsten. Es wird alles gut, wenn’s gut werden will.“ Und den nächsten Satz wiederholt Hans mehrfach: „Ein guter Mensch kann warten, bis Berge Blumen umarmen. Und stille Felswände Herzen küssen.“

„Der Lärm hört dich schon.“

„Wenn der Mensch wieder Liebe findet, wird er auch wieder gesund werden. Aber unser Geist ist zu klein. Unser Geist reicht nicht weit, nein, nein.“ Man müsse einfach gut sein. Umdenken. Umdenken. Umdenken. Mit impfen allein sei es nicht getan. „Der Mensch muss sich bessern. So geht’s nicht, verstehst du?“ Und sagt: „Nur still sein. Der Lärm hört dich schon.“ Wiederholt es, zweimal, dreimal. Sanft. Man solle darüber nachdenken. Der nächste Pinselschwung ist Rot. Eine Liebeserklärung. An die Liebe. Ans Leben.


Autorin:
Monika Hoeksema



© Monika Hoeksema



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