Es war vor fast einem Jahr und 850 Kilometer entfernt, da träumten Alexandra Knorr und ihr Lebensgefährte Boris von einem Leben in Lienz. Sie haben alles drangesetzt, ihren Traum in Erfüllung gehen zu lassen. Im Mai 2021 kamen sie in Osttirol an. Ein Resümee.

Es begann vor 33 Jahren, als der achtjährige Boris mit seinen Eltern das erste Mal in Osttirol Ferien machte. Sie waren sehr reiselustig, fuhren mit dem eigenen Wagen los. Start in Oberhausen im Westen Deutschlands, und sie kamen, ja genau, bis Osttirol. „Dort sind wir irgendwie hängengeblieben. In den 1980er- und 90er-Jahren waren wir dann jeden Sommer da“, sagt Boris und lacht. „Auch wenn wir Kinder da mal nicht hinwollten, waren wir da.“ Und er erinnert sich an die Alm am Zettersfeld, wo sie ganze drei Wochen verbrachten, auf dem holzbefeuerten Küchenherd kochten, weil es noch keinen Strom gab und das Wasser aus dem Brunnen holten.

Sehnsuchtsort für alle Jahreszeiten

Vor ein paar Jahren dann – es war ihre Hochzeitsreise – buchten Alex und Boris ein Hotel in einem hübschen Ort jenseits des Iselsbergs. „Wir wollten eigentlich nicht auf den Spuren der Eltern wandern“, sagt Boris, „sondern etwas Neues entdecken. Aber natürlich haben wir irgendwann einen Ausflug nach Lienz gemacht und …“ Alexandra vervollständigt den Satz: „… und dann habe ich die Stadt gesehen, und das Wetter war herrlich, und die Leute waren alle nur nett. Jeder hat gegrüßt und uns geduzt. Das war zwar erst mal komisch, aber nach dem ersten Urlaub habe ich gewusst – jetzt muss ich auch mal im Winter hin. Und seitdem waren wir immer im Winter und im Sommer hier. Ich hatte Sehnsucht.“


Und Boris habe Osttirol nochmal neu entdeckt. Als erwachsener Mensch, mit anderen Augen. Und Alexandra spricht aus, was beide für diese Region so eingenommen hat: „Es ist so vielfältig hier. Es gibt viel zu erleben und die Osttiroler selbst nutzen das ganze Angebot. Die Region lebt nicht nur vom Tourismus, sondern tatsächlich von den Menschen hier.“

Ein Gästezimmer ist fix eingeplant

Und so ging‘s intensiv auf Jobsuche. Alex ist studierte Biologin und arbeitete als Clinical Trial Manager am Universitätsklinikum in Essen. Boris war Rehabilitationstechniker. „Ein Brötchenjob“, sagt er lachend. Denn: Wenn er nicht gerade Rehabilitationsmittel wie Rollatoren oder Rollstühle ausrichtete und einstellte, schrieb der gelernte KFZ-Mechaniker an seinem ersten Buch. „Es ist ein Abenteuerroman“, verrät er. „Natürlich in den Ostalpen angesiedelt, eine Handlung zwischen Gut und Böse.“
Auch die Familien der beiden, ebenso „osttirolfixiert“, freuten sich und unterstützten, wo sie konnten. Boris Mama Ute schwärmte längst von den Sommermonaten in Osttirol und auch von Alex Familie erwarten die beiden viel Besuch. Ein Gästezimmer ist im neuen Zuhause jedenfalls eingeplant.

Wo Sportlichkeit beflügelt

Zu ihren Lieblingsplätzen zählten bisher das Mocafé, der Ausblick oben am Zettersfeld, „und dieses eine Sitzbänklein in Schlaiten, das komplett in der Sonne stand und der Blick von dort war einfach nur grandios, oder einfach in der Innenstadt ein Eis essen, auf der Bank vor dem Rathaus …“ – wer den beiden zuhört, weiß, was das Wort Schwärmen bedeutet.
Und auch, was Lienz mit seinen Bergen und Flüssen bietet, begeisterte sie von Anfang an. Im Sommer schnüren sie die Wanderstiefel, Boris war zuletzt mit dem Rennrad im Lesachtal („das war toll!“). Und im Winter „sind wir Schneeschuhwanderer, aber das richtige Skifahren steht auch auf dem Zettel. Auch das Kajakfahren: „Wir finden es immer sehr spannend, wenn wir in Lienz sind und die Kajakfahrer quasi durch die Stadt fahren.“

Ohnehin, es gebe so viele sportliche Menschen. „Das beflügelt einen so“, sagt Boris. Sie seien sehr aktiv, und wenn sich das mit der Arbeit verbinden ließe, wäre das der Traum. „Und darum geht es“, ergänzt Alexandra. „Dass man mittendrin ist, und das Arbeiten und die Natur mit all ihren Möglichkeiten in den Alltag einbauen kann.“


Angekommen in Osttirol – Interview

Seit bald einem halben Jahr sind Alex und Boris in Lienz. Hier erzählen sie, wie das Ankommen war.


Ihr seid seit Mai in Osttirol. Wie habt ihr euch inzwischen eingelebt?

Boris: „Sehr gut, wir gehen mit offenen Herzen und einem Lächeln auf die Menschen zu und in den weitaus meisten Fällen wird beides erwidert. Die Quote der uns freundlich gesonnen Menschen ist erschreckend hoch (lacht). Wir quatschen hier mehr als in der alten Heimat. Mit der steigenden Anzahl an liebgewonnen Menschen wächst auch der Freundeskreis stetig. Es ist toll! Wir sind nicht allein.“ 

Ist es so, wie ihr es euch vorgestellt habt?

Boris: „Oh, ich habe ganz vergessen was ich mir genau vorgestellt habe. Ich glaube, dass wir sind da ganz natürlich herangegangen. Wir wollten aktiv sein – das sind wir. Wir wollten Bergsteigen, Laufen, Radfahren – das machen wir. Und wir wollten den Tag abseits der Verpflichtungen bestmöglich ausnutzen und ja, auch das klappt wunderbar. Die Osttiroler Energie ist einfach ansteckend und motivierend. Das gilt aber auch fürs Entspannen.“ 

Welche neuen Lieblingsplätze konntet ihr für euch entdecken?

Boris: „Das Kristeiner Tal, unglaublich, das wir das noch nicht kannten. Freunde haben uns dahin geführt. Großartige Menschen. Was bedeutet überhaupt neue Lieblingsplätze, um die Band “Smile & Burn” zu zitieren: “Alles macht der Morgen anders, alles macht der Morgen wieder gleich”. Eine Bergwanderung ist ja im Grunde immer gleich und trotzdem jedes Mal anders und voll mit verschiedensten Facetten. Wegbeschaffenheit, der eigene Körperzustand, Wetter, der Winkel, wie die Sonne auf die Baumwipfel fällt und, und, und. Nach einer Bergwanderung in den Tristacher See zu springen ist einfach nur Lebensqualität!“ 

Wie war das „bürokratische“ Ankommen mit Behörden, Ummelden, etc.?

Boris: „Die Bürokratie haben wir auf uns zukommen lassen und siehe da, es war kein Monster, es hat uns nicht attackiert. Es kam im hilfsbereiten Gewand und wenn man sich nicht ganz doof anstellt, ist das alles kein Problem. Nach A kommt auch hier B.“ 


Wie war es, als es ernst wurde?

Boris: „Mit einer Träne im Auge und der alten Heimat im Rücken, mit Angst vor dem, was kommt und mit einem breiten Grinsen der Freude diesen Schritt tatsächlich zu gehen. Ich weiß nicht, wie wir ausgesehen haben, aber ich bin froh, dass es von diesem Tag keine Fotos von uns gibt.“

Wie gestaltet sich die Haus-/Wohnungssuche? Seid ihr schon richtig angekommen?

Boris: „Über einen Freund, der auch den besten Kaffee der Stadt röstet, haben wir eine tolle kleine Wohnung gefunden. Wir nennen Sie unsere ‚Osttirol Starterwohnung‘. Sie ist genau richtig, um von hier aus alles Weitere zu planen. Aber alles ganz entspannt.“ 

Alex: „Aber wir haben natürlich schon die Absicht, irgendwann ein kleines Häuschen für uns zu entdecken, 70 bis 80 Quadratmeter, kleiner Garten, gern in Sonnenlage, Angebote werden gerne entgegengenommen :-))“

Wie ist euer Osttiroler Alltag?

Alex: „Arbeiten, Leben genießen“

Boris: „Arbeiten (Brötchenjob: Lieferant), Buch schreiben und Hölle: Korrekturlesen!!!). Dann: das Leben genießen!”

Worauf freut ihr euch am meisten?

Alex: „Auf die Weihnachtszeit und den Schnee! Da wir bisher immer nur mit Schneeschuhen in Osttirol unterwegs waren und nun alle Bekannten und Freunde natürlich darauf bestehen, dass wir Skifahren lernen, macht uns das ein wenig nervös (lacht). Aber das wird schon, denn erst letztens hat ein sehr netter Mensch zu uns gesagt, dass man nach dem Fallen einfach laut juchzt und lacht und dann geht’s einfach weiter… 

Boris: „Unzählige Wanderungen, Radtouren und auf die erste Geburtstagsfeier im nächsten Jahr!“ 

Wie war das Einarbeiten in der Praxis Dr. Walder – Boris: Was macht das eigene Buch?

Alex: „Das hat sehr gut funktioniert! Ich habe meinen Platz gefunden und denke, dass ich ein voll integriertes Mitglied des Teams bin. Ich betreue eigene Projekte, unterstütze bei anderen Aufgaben und übernehme Verantwortung. Also genau das, was ich mir für meinen beruflichen Weg gewünscht habe.“ 

Boris: „Das Buch oder mittlerweile sollte ich fast sagen die Bücher, gedeihen prächtig, Korrekturlesen und Überarbeitung verschlingen viel Zeit. Diesen ganzen Weg gehe ich gerade zum ersten Mal und ich bin gespannt, wohin es mich noch führt. Ich arbeite auch noch als Lieferant bei der Pils Zahntechnik in Lienz. Ein supertoller Haufen, ein cooles Team, ein geiler Job. Ich fahre durch die Täler, höre Musik und grüble über die nächste Geschichte nach.“

Was gefällt euch am besten? Und was möchtet ihr nicht mehr missen?

Boris: „Unsere neuen Freunde und all die netten Menschen, die wir sonst so treffen. Danke! Die Nähe zu Allem, zur Natur, zur Stadt, zu den Bergen, zu den Wegen die uns zu neuen Orten führen.“ 

Was vermisst ihr?

Boris und Alex: „Na wat wohl, ne Ruhrpott-Currywurst und`n ordentlichn Mettigel (Mettbrötchen)!“ 

Was gefällt euch am besten? Und was möchtet ihr nicht mehr missen?

Boris: „Was uns am besten gefällt, ist schwer einzuschränken. Am besten gefällt mir, dass wir hier auch nach der Arbeit noch die Zeit finden, um bei uns den Berg hochzugehen oder hochfahren, um oben unsere Runde zu drehen. Das ist unbezahlbar und schafft die Lebensqualität, die es vorher nicht gab.“ 



Autorin:
Monika Hoeksema



© Alexandra Knorr



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